Die jährliche Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees wird nicht wie geplant vom 19.-30. Juni in Kasan, Russland, stattfinden. Wie der website des UNESCO-Welterbezentrums zu entnehmen ist, wurde die Sitzung vertagt, ohne dass ein neuer Termin oder Ort genannt wurde. Weitere Informationen würden „so bald wie möglich“ mitgeteilt, heißt es auf der website.
Auch die im weltweiten Netzwerk von World Heritage Watch zusammengeschlossenen Nichtregierungsorganisationen werden ihr NGO-Forum vertagen. Dieses Forum tagt immer unmittelbar vor der Sitzung des Welterbekomitees.
Die Entscheidung stellt einen Kompromiss dar, der nach wochenlangem diplomatischen Tauziehen in letzter Minute erreicht worden ist. Einerseits erschien es einer großen Mehrheit der UNESCO-Mitgliedstaaten undenkbar, dass eine internationale Konferenz in Russland und unter russischem Vorsitz stattfinden könnte, während Russland einen Angriffskrieg führt und dabei ohne Rücksicht auch geschützte Kulturdenkmäler zerstört. Zuletzt hatten auf britische Initiative 46 Staaten und viele Nichtregierungsorganisationen – darunter auch World Heritage Watch – erklärt, eine Konferenz in Russland zu boykottieren. Andererseits gab es im Welterbekomitee – dem Gremium von 21 Staaten, dass allein einen Beschluss zur Verlegung der Sitzung fällen kann – nicht die dafür erforderliche 2/3-Mehrheit.
Offenbar war auch die UNESCO selbst nicht bereit, die Sitzung an ihrem Hauptquartier in Paris auszurichten, da Russland in diesem Fall den Vorsitz behalten hätte.
„Mit der Vertagung hat man Zeit gewonnen und hofft nun, dass bis zum Herbst Umstände eintreten, die eine endgültige Entscheidung erleichtern“, erklärt Stephan Dömpke, der Vorsitzende von World Heritage Watch. „Offenbar will man bis dahin genügend Komiteemitglieder dafür gewinnen, Russland die Sitzung zu entziehen. Auch müsste ein neues ausrichtendes Komiteemitglied nicht nur in der Lage sein, eine Konferenz mit mehreren tausend Teilnehmern in kürzester Frist zu organisieren, sondern auch dem russischen Vorsitzenden die Einreise verweigern, denn dieser ist persönlich gewählt und kann nicht abgesetzt werden. Wie das enden wird, bleibt zur Zeit völlig der Spekulation überlassen. Nur eins ist klar: Das Regelwerk der UNESCO-Welterbekonvention ist im 50. Jahr ihres Bestehens dringend reformbedürftig, wie World Heritage Watch seit langem gefordert hat.“